Zu laut, zu viele Eindrücke, zu viele Menschen. Hochsensibilität ist ein Phänomen, bei dem Betroffene stärker als der Durchschnitt auf Reize reagieren.
Die High-Sensitivity-Forschung steht noch ganz am Anfang, aber viele Erkenntnisse helfen Menschen sich in der Umwelt besser zurecht zu finden. Der Begriff „Hochsensibilität“ beschreibt keine Krankheit. Es handelt sich dabei eher um ein spezifisches Sammelsurium an Charaktereigenschaften. Diese ergeben sich aus einer gesteigerten Reizverarbeitung. Das vegetative Nervensystem hochsensibler Menschen filtert weniger als bei durchschnittlich Sensiblen. Erfahre in 6 Fragen zu Hochsensibilität ob auch du möglicherweise hochsensibel bist.
Überblick
Was ist Hochsensibilität?
Wie zeigt sich Hochsensibilität?
Ist Hochsensibilität angeboren und kann man sich diese abgewöhnen?
Wie erkenne ich, ob mein Kind hochsensibel ist?
Wie kann ich mit Hochsensibilität gut leben?
Wie kann man Hochsensibilität testen?
Was ist Hochsensibilität?
Hochsensible Menschen nehmen ihre Umwelt auf allen Ebenen und mit allen Sinnen verstärkt wahr. Das ermöglicht höchst intensive Erfahrungen. Die Bandbreite möglicher Erscheinungsformen von Hochsensibilität ist sehr grosms. Praktisch jeder Sinneseindruck kann stärker und damit detaillierter wahrgenommen werden. Oft wird diese Eigenschaft mit blosser Nervosität und Empfindlichkeit verwechselt. Durch die verstärkte Reizaufnahme und ihre tiefere Verarbeitung ergeben sich Charaktereigenschaften wie Introversion und intensives Erleben der zwischenmenschlichen Beziehungen. Es können auch starke Reaktionen auf Medikamente, Alkohol und Koffein sowie Anfälligkeiten für Stress, Leistungsdruck und Zeitknappheit auftreten. Derzeit existiert keine anerkannte wissenschaftliche Theorie. Als wahrscheinlich wird eine erblich bedingte Veranlagung genannt. Die Vorstellung, es handele sich um eine „psychische Störung“ oder „Krankheit“, wird abgelehnt. Einem Erklärungsansatz zufolge stufe der Thalamus, ein Teil des Zwischenhirns, bei hochsensiblen Personen mehr Reize als „wichtig“ ein, die dann das Bewusstsein erreichen.
Wie zeigt sich Hochsensibilität?
Hochsensibilität zeichnet sich durch spezielle Wahrnehmung aus. Diese Merkmale sind bei hochsensiblen Menschen stärker oder weniger stark ausgeprägt:
Vielschichtige Fantasie und Gedankengänge
Starke innere Wahrnehmung
Detailreiche Wahrnehmung der Umwelt
Schwierigkeiten beim Umgang mit Stress und Leistungsdruck
Hohe Begeisterungsfähigkeit
Hohe Eigenverantwortung und Wunsch nach Unabhängigkeit
Gutes Einfühlungsvermögen, grosse Empathie
Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
Detaillierte Selbstreflexion und langer emotionaler Nachklang des Erlebten
Schwierigkeiten mit starren Strukturen
Perfektionismus
Intensives Erleben von Kunst und Musik
Harmoniebedürfnis
Starke Beeinflussbarkeit durch die Stimmung anderer Menschen
Ist Hochsensibilität angeboren und kann man sich diese abgewöhnen?
Es herrscht die Annahme vor, dass Hochsensibilität vererbt wird, das heisst in den Genen angelegt ist. Die Komplexität der Erscheinungsformen von Hochsensibilität erschwert es, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Die bewusste Ablehnung von Persönlichkeitseigenschaften führt jedoch häufig zu psychischem und physischem Stress und zu Krankheitsbildern wie Depression. Man kann im Laufe seines Lebens lernen, mit seiner Veranlagung bestmöglich umzugehen und ihren Wert zu schätzen. Hochsensibel zu sein bietet auch privat wie beruflich viele Vorteile.
Wie erkenne ich, ob mein Kind hochsensibel ist?
Bei Hochsensibilität gehen oft unterschiedliche Verhaltensweisen Hand in Hand. Wahrgenommene starke Berührbarkeit und Empfindsamkeit eines Kindes wechselt sich ab mit völlig situationsunangepasstem Verhalten. Folgende Punkte können Hinweise auf hochsensible Kinder sein:
Hochsensible Kinder lassen frühzeitig eine Tiefgründigkeit in der Ergründung so genannter Menschheitsfragen erkennen: „Warum lebe ich?“ „Wie funktioniert das Universum und was war davor?“
Ein besonderes Interesse hochsensibler Kinder gilt dem Thema „Sterben, Tod und was kommt danach?“.
Hochsensible Kinder verfügen über eine präzise sprachliche Ausdrucksweise.
Auch die gut wahrnehmbare große Empathiefähigkeit ist ein wesentlicher Indikator für hochsensible Kinder.
Hochsensible Kinder besitzen oftmals eine große Wahrnehmungsbegabung jenseits des herkömmlichen Alltagsverständnisses. Beispielsweise kann das Wahrnehmen der Befindlichkeit anderer Personen im eigenen Körper oder das „Lesen“ von Gedanken anderer zu völliger Überforderung führen.
Die sinnlichen Wahrnehmungen hochsensibler Kinder sind stark ausgeprägt. Vor allem ihr Geschmacks- und Geruchserleben kann sehr auffällig sein. Sie werden oft als sehr heikel angesehen.
Die Schmerzempfindlichkeit und die Tendenz zu Hauterkrankungen und Allergien ist erhöht.
Es ist sehr wertvoll, wenn sich die Eltern mit der Veranlagung ihres Kindes bewusst auseinandersetzen. Viele Kinder wie auch Erwachsene begleitet sehr oft mangelndes Selbstbewusstsein.
Wie kann ich mit Hochsensibilität gut leben?
Menschen mit hochsensibler Veranlagung sind völlig unterschiedlich. Demnach gibt es keine allgemeingültigen Aussagen darüber, was hochsensiblen Menschen hilft, einen erfüllten Alltag zu leben. Folgende Punkte können helfen mit der Veranlagung zu leben:
Bewusstes Annehmen der eigenen Veranlagung
Ruhephasen einhalten
Auf den eigenen Körper achten
Im heutigen Alltag als hochsensibler Mensch zu leben, hat durchaus einen grossen Wert, welcher jedoch schwer wahrzunehmen ist. Dabei liegt genau hier die grosse Chance. Es existieren zahlreiche Möglichkeiten und vor allem Notwendigkeiten, die eigene Begabung bestmöglich in unsere Lebenswelt und auch in den Berufsalltag einzubringen. Ausgeprägtes Empfinden und Wahrnehmen von Erlebtem, Genauigkeit und Verlässlichkeit, sehr gute Wahrnehmung von Details, tiefe Reflexionen und Denken in grossen Zusammenhängen und hohe Kreativität, sind wichtige Eigenschaften, die auch im Beruf vor allem in kreativen Branchen einsetzbar sind.
Was verursacht Hochsensibilität
Ausgeprägtes Empfinden und Wahrnehmen von Erlebtem, Genauigkeit und VerlässlichkWarum manche Menschen hypersensibel sind und andere nicht, weiss die Wissenschaft noch nicht genau. Forscher vermuten, dass bei den Betroffenen eine genetische Veranlagung die reizverarbeitenden neuronalen Systeme so verändert, dass die Sensibilität erhöht ist. Darauf deuten Zwillingsstudien hin, die eine signifikante Häufung von Hochsensibilität in Familien aufzeigten.
Außerdem könnten Hirnstrukturen und Nervenzellverbände, die für die Dämpfung von Erregungspotenzialen im Gehirn zuständig sind, bei Hochsensiblen weniger stark ausgeprägt sein. Das könnte dazu führen, dass der Neokortex - jener Teil der Griss hirnrinde, der an der Steuerung der Aufmerksamkeit und der Sinnesverarbeitung beteiligt ist - deutlich stärker erregt wird.
Eine Rolle bei Hochsensibilität scheint auch der Thalamus zu spielen. Dieser Teil des Zwischenhirns wird "Tor zum Bewusstsein" genannt. Als Filter einlangender Informationen entscheidet er nämlich darüber, welche äusms eren und inneren Reize ins Bewusstsein dringen und welche nicht. Bei Hypersensibilität könnte er deutlich mehr Informationen als relevant einstufen und ins Bewusstsein vorlassen, als das bei Menschen mit niedriger oder mittlerer Sensitivität passiert.
Einige Forscher, die sich mit dem Thema Hochsensibilität befassen, haben zudem den Hypothalamus im Blick - einen anderen Teil des Zwischenhirns, der gewissermassen als "Gefühlsregler" fungiert. Er könnte bei hochsensiblen Menschen in veränderter Weise arbeiten.
Darüber hinaus gehen Forscher davon aus, dass an der Entstehung von Hochsensibilität auch Umwelteinflüsse (auch kulturelle Einflüsse) beteiligt sind. Bislang ist aber nicht genau bekannt, welche Einflüsse die Sensitivität prägen.
Was wird hochsensiblen Menschen geraten?
So anstrengend und herausfordernd das Alltagsleben sein kann bei Hochsensibilität - eine Therapie brauchen die Betroffenen deswegen im Grunde nicht, schliesms lich ist ihre Überempfindlichkeit keine Krankheit oder Störung. Manchmal genügen folgende Tipps, um Menschen mit Hochsensibilität den Umgang mit anderen Menschen sowie mit sich selbst zu erleichtern:
Wenn Sie hochsensibel sind, sollten Sie die Bedingungen Ihrer Umgebung (Zuhause, Arbeitsplatz etc.) nach Möglichkeit optimieren, damit weniger Reize auf Sie "einprasseln". Ungünstig können etwa psychedelische Bilder an den Wänden, das gleichzeitige Laufen von Radio und TV, der Duft von Räucherstäbchen und die Geräuschkulisse im Grosms raumbüro sein.
Sorgen Sie für Rückzugs- und Ruhephasen, um Eindrücke verarbeiten und sich von der Vielzahl an Reizen erholen zu können. Beispielsweise können Sie sich dafür zuhause und vielleicht auch an Ihrem Arbeitsplatz einen ruhigen Raum oder eine ruhige Ecke suchen, wo Sie der Reizüberflutung vorübergehend entfliehen können.
Zum Thema Rückzug und Ruhe gehört auch: Packen Sie nicht zu viele Aufgaben und Termine in Ihren Tagesablauf. Sagen Sie gegebenenfalls auch mal "Nein" - etwa zur Übernahme eines zusätzlichen Arbeitsprojekts, zu einer Party mit 50 Leuten oder einer Shoppingtour am letzten Samstag vor Weihnachten.
Regelmässiger Rückzug ist essenziell bei Hochsensibilität, sollte aber nicht in Isolation und Einsamkeit münden. Sage zum Beispiel nicht jeden Kneipenabend mit Freunden ab, sondern geniesse die Geselligkeit zumindest für eine oder zwei Stunden.
Wenn dich etwas sehr stört oder "überwältigt", dann stehe dazu. Sprich es offen an.
Arbeiten daran, Kritik nicht zu persönlich zu nehmen.
Deine ausgeprägte Empathie kann dann fatal sein, wenn du in den Gefühlen und Stimmungen deines Umfelds "versinkst". Zu viel Mitgefühl ("Mitleiden") mit anderen hilft weder den Betreffenden noch dir selbst. Achte lieber auf eine gesunde emotionale Distanz. Mit der bewahrten emotionalen Kraft kannst du anderen dann eine hilfreiche Hand reichen.
Baue dein Stress gezielt ab, zum Beispiel mit Bewegung, Sport oder Entspannungsverfahren (wie Yoga, Autogenem Training, Progressiver Muskelentspannung).
Als Eltern eines hochsensiblen Kindes solltest du dich bei Bedarf professionellen Rat holen, zum Beispiel bei einem Erziehungsberater. Er kann dir mehr über die Hintergründe und Auswirkungen von Hochsensibilität erzählen und Tipps für den Umgang mit deinem Kind geben.
Es kann etwa hilfreich sein, zu wissen, dass hochsensible Kinder unter negativen Umweltbedingungen stärker leiden als andere Sprösslinge - zum Beispiel unter Streitigkeiten in der Familie oder Hintergrundgeräuschen während der Hausaufgaben. Andererseits sind hochsensible Kinder auch für positive Reize besonders empfänglich, etwa kleine Geschenke oder liebevolle Umarmungen.
Wie kann man Hochsensibilität testen?
Laut Elaine Aron, der amerikanischen Pionierin der HS Forschung, können Tests auf eine Hochsensibilität hinweisen. Auch dann, wenn nur sehr wenige Testpunkte erfüllt sind, diese jedoch in ausgeprägter Form. Es gibt in der noch relativ geringen Literatur über Hochsensibilität einige Tests, die darüber Auskunft geben, ob man sich zu einer definierten Gruppe zählen kann. Seit Beginn der Forschung existieren Testverfahren, deren Fragestellungen aus den unter „Wie zeigt sich Hochsensibilität“ angeführten Kriterien resultieren.
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